27 Februar, 2009

Michel Foucault: nicht dermaßen regiert werden! Oder: Was ist Kritik?


„Als erste Definition der Kritik schlage ich also die allgemeine Charakterisierung vor: die Kunst nicht dermaßen regiert zu werden."

„Vor allem aber sieht man, daß der Entstehungsherd der Kritik im wesentlichen das Bündel der Beziehungen zwischen der Macht, der Wahrheit und dem Subjekt ist. Wenn es sich bei der Regierungsintensivierung darum handelt, in einer sozialen Praxis die Individuen zu unterwerfen – und zwar durch Machtmechanismen, die sich auf Wahrheit berufen, dann würde ich sagen, ist die Kritik die Bewegung, in welcher sich das Subjekt das Recht herausnimmt, die Wahrheit auf ihre Machteffekte hin zu befragten und die Macht auf ihre Wahrheitsdiskurse hin. Dann ist die Kritik die Kunst der freiwilligen Unknechtschaft, der reflektierten Unfügsamkeit. In dem Spiel, das man die Politik der Wahrheit nennen könnte, hätte die Kritik die Funktion der Entunterwerfung."
[Michel Foucault: Was ist Kritik?]

Michel Foucault: Geschichte der Gouvernementalität
Michel Foucault: Sicherheit, Territorium, Bevölkerung
Michel Foucault: Die Geburt der Biopolitik
Zara kommentiert: Die Gouvernementalität
Zara kommentiert: Die Gouvernementalität als Werkzeug

25 Februar, 2009

Michel Foucault: Macht-Wissen

„Das Wort Wissen wird also gebraucht, um alle Erkenntnisverfahren und -wirkungen zu bezeichnen, die in einem bestimmten Moment und in einem bestimmten Gebiet akzeptabel sind. Und zweitens wird der Begriff Macht gebraucht, der viele einzelne, definierte Mechanismen abdeckt, die in der Lage scheinen, Verhalten oder Diskurse zu induzieren. Offensichtlich haben diese beiden Begriffe nur eine methodologische Funktion: mit ihnen sollen nicht allgemeine Wirklichkeitsprinzipien ausfindig gemacht werden, es soll gewissermaßen die Analysefront, es soll der relevante Elemententyp fixiert werden. Auf diese Weise soll vermieden werden, daß von vornherein die Perspektive der Legitimierung eingeführt wird – wie das die Begriffe Erkenntnis und Herrschaft nahelegen. Jene beiden Worte sollen auch in jedem Moment der Analyse einen bestimmten Inhalt, ein bestimmtes Wissenselement, einen bestimmten Machtmechanismus präzis bezeichnen können; niemals darf sich die Ansicht einschleichen, daß ein Wissen oder eine Macht existiert – oder gar das Wissen oder die Macht, welche selbst agieren würden. Wissen und Macht - das ist nur ein Analyseraster. Und dieser Raster ist nicht aus zwei einander Fremden Kategorien zusammengesetzt – dem Wissen einerseits und der Macht andererseits (wie die gerade gebrauchten Formulierungen nahelegten). Denn nichts kann als Wissenselement auftreten, wenn es nicht mit einem System eines bestimmten wissenschaftlichen Diskurses in einer bestimmten Epoche, und wenn es nicht andererseits, gerade weil es wissenschaftlich oder rational oder einfach plausibel ist, zu Nötigungen oder Anreizungen fähig ist. Umgekehrt kann auch nichts als Machtmechanismus funktionieren, wenn es sich nicht in Prozeduren und Mittel-Zweck-Beziehungen entfaltet, welche in Wissenssystemen fundiert sind. Es geht also nicht darum, zu beschreiben, was Wissen ist und was Macht ist und wie das eine das andere unterdrückt oder mißbraucht, sondern es geht darum, einen Nexus von Macht-Wissen zu charakterisieren, mit dem sich die Akzeptabilität eines Systems – sei es das System der Geisteskrankheit, der Strafjustiz, der Delinquenz, der Sexualität usw. - erfassen läßt.
[Michel Foucault: Was ist Kritik?]