14 August, 2008

die gouvernementalität als werkzeug

Die Sicherheitsdispositive, welche im Laufe des 18. Jahrhunderts für die Regierung als Instrument der Machtausübung relevant werden, sind die spezifische Form der Machtausübung der Gouvernementalität. Foucault liefert jedoch keine eindeutige und klar umrissene Definition der Gouvernementalität, stattdessen verwendet er den Begriff Gouvernementalität in verschiedenen Bedeutungszusammenhängen und mehreren Variationen. Er bezeichnet damit die spezifischen Merkmale der Regierungstätigkeit ebenso wie ein spezifisches Machtsystem und eine historische Entwicklung.[1] Er verwendet die Gouvernementalität als Synonym für Regierungstätigkeit, Regierungsrationalität und auch einfach nur für Regierung[2]. Die Gouvernementalität richtet sich auf Individuen ebenso wie auf Gruppen oder ganze Bevölkerungen.[3] Beziehungen der Gouvernementalität sind Beziehungen des Regierens oder Lenkens von Menschen.[4]
Im Verlauf der Vorlesungen kristallisiert sich aus diesen vielfältigen Verwendungsarten des Gouvernementalitätsbegriffs eine tendentielle Entwicklung heraus, die von der spezifisch-historischen Verwendung des Begriffs in eine allgemeinere und abstraktere Richtung weist.[5] Während der Vorlesungen von 1979 bezeichnet Foucault mit dem Begriff Gouvernementalität nicht mehr ein spezifisches Machtsystem, sondern viel allgemeiner „[...] die Art und Weise, mit der man das Verhalten der Menschen steuert [...]“[6].
Betrachtet man die Herkunft und die Bezüge des Wortes Gouvernementalität im Kontext von Foucaults Gedankengängen genauer, dann bleiben zwei schlüssige Verwendungsweisen übrig. Zum einen eine spezifische, welche dazu dient, ein bestimmtes Machtsystem einzugrenzen, und zum anderen eine allgemeine, welche die Art und Weise beschreibt, nach der regiert wird.
Das deutsche Wort Gouvernementalität ist die Übersetzung des französischen Wortes gouvernementalité, das sich von dem Adjektiv gouvernemental ableitet, was mit die Regierung betreffend übersetzt werden kann.[7] Auch wenn Foucault es so deutlich nicht formuliert, ist davon auszugehen, dass er das Wort gouvernementalité dem Wort souveraineté, auf deutsch Souveränität, gegenüberstellt.[8] So wie die Souveränität als das Prinzip des Königs oder des Souveräns zu verstehen ist, ist die Gouvernementalität als das Prinzip der Regierung zu verstehen. Anders formuliert: die Souveränität bezeichnet die Art und Weise, wie der Souverän herrscht. Entsprechend bezeichnet die Gouvernementalität die Art und Weise, wie regiert wird.
Je nachdem, worauf der Begriff Gouvernementalität bezogen wird, verändert sich seine Bedeutung. Verwendet man Regierung in Abgrenzung zu Souveränität oder zu Disziplin als spezifisches Machtsystem, dann ist der Begriff Gouvernementalität spezifisch, als zur Regierung gehörendes Prinzip der Machtausübung zu verstehen. Unterscheidet man aber die unterschiedlichen Formen und Prinzipien zu regieren, dann ist das Wort Gouvernementalität allgemein, als Art und Weise, nach der regiert wird, zu verstehen.
Die Gouvernementalität ist für Foucault ein Mittel „[...] das Problem des Staates und der Bevölkerung anzugehen.“[9] Der Grund, warum Foucault hierfür einen, wie er zugibt, so „problematischen und künstlichen Begriff“[10] wie die Gouvernementalität verwendet und nicht den Staat oder die Bevölkerung selbst zum Ausgangspunkt der Analyse macht, ist seine genealogische Vorgehensweise. Der Staat ist für Foucault keine Universalie, der Staat ist nichts anderes „[...] als der bewegliche Effekt eines Systems von mehreren Gouvernementalitäten.“[11] Die Gouvernementalität ist ein Werkzeug, den Staat zu analysieren. Sie ist ein Instrument, die Genealogie des Staates mit Hilfe der Geschichte der Gouvernementalität zu schreiben. Gleichzeitig bietet sie Foucault die Möglichkeit, seine Machtanalyse auszuweiten und die Gesellschaft und den Staat in diese Analyse mit einzubeziehen, die sich bisher auf die Institutionen Psychiatrie, Gefängnis und Klinik beschränkt hatte.

„Ist es möglich, den modernen Staat in eine Gesamttechnologie der Macht wiedereinzusetzen, die seine Mutationen, seine Entwicklung, sein Funktionieren sicherten? Kann man von etwas wie einer 'Gouvernementalität' sprechen, die für den Staat das wäre, was die Absonderungstechniken für die Psychiatrie waren, was die Disziplinartechniken für das Strafsystem waren, was die Biopolitik für die medizinischen Institutionen war?“[12]

[zara pfeiffer]


[1] Vgl. Foucault: Sicherheit, Territorium, Bevölkerung, 2006, S. 162f.
[2] Vgl. Foucault, Michel: Subjekt und Macht, Dits et Ecrits IV, Nr. 306, S. 291.
[3] Vgl. Foucault: Die Geburt der Biopolitik, 2006, S. 261.
[4] Vgl. Foucault, Michel: Der Intellektuelle und die Mächte, Dits et Ecrits IV, Nr. 359, S. 930.
[5] Vgl. Sennelart: Situierung der Vorlesungen, 2006, S. 482.
[6] Foucault: Die Geburt der Biopolitik, 2006, S. 261.
[7] Die im deutschsprachigem Raum hin und wieder auftauchende Übersetzung mit Regierungsmentalität, mag zwar inhaltlich naheliegend sein, beruht jedoch auf der fälschlichen Annahme, dass es sich bei dem Wort gouvernementalité um die semantische Verbindung der beiden Worte gouvernement (Regierung) und mentalité (Denkweise) handelt. Vgl. Sennelart: Situierung der Vorlesungen, 2006, Fußnote 125, S. 482.
[8] Vgl. Lemke: Gouvernementalität und Biopolitik, 2007, Fußnote 5, S. 13.
[9] Foucault: Sicherheit, Territorium, Bevökerung, 2006, S. 174.
[10] Foucault: Sicherheit, Territorium, Bevölkerung, 2006, S. 174.
[11] Foucault: Die Geburt der Biopolitik, 2006, S. 115.
[12] Foucault: Sicherheit, Territorium, Bevökerung, 2006, S. 180.

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